Krise auf dem polnischen Biermarkt

Dass die deutsche Brauereiszene unter Problemen leidet, haben wir wohl alle bereits erfahren. Aber wie sieht es in den anderen Ländern der EU aus? Mit dieser Frage habe ich mich in der letzten Zeit beschäftigt und mir die Situation in verschiedenen Ländern angesehen. Hier erst einmal meine Einschätzung zur Lage in Polen:

Die polnische Brauindustrie steht unter Druck. Während der Bierkonsum nach Jahren des Wachstums rückläufig ist, kämpfen Brauereien mit steigenden Kosten, Überkapazitäten und einer unklaren Steuerpolitik. Das wurde in einer Debatte der Tageszeitung *Rzeczpospolita* deutlich, die sich auf den Bericht „Die Brauindustrie in Polen: Auswirkungen auf die Wirtschaft“ des Centrum Analiz Społeczno-Ekonomicznych (auf Deutsch: Zentrum für Sozial- und Wirtschaftsforschung) (CASE) stützte.

Laut CASE sank die Bierproduktion von 41 Millionen Hektolitern im Jahr 2018 auf 34,6 Millionen im Jahr 2024 – ein Rückgang um über 15 Prozent. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch fiel von 100 auf weniger als 86 Liter. „Das entspricht einem Verlust von sechs Millionen Hektolitern, also der Produktion von sechs großen Brauereien“, sagte Bartłomiej Morzycki, Generaldirektor des Arbeitgeberverbands der polnischen Brauindustrie.

Ursachen und Strukturprobleme

Die Ursachen liegen in einem Zusammenspiel aus veränderten Konsumgewohnheiten, steigenden Preisen und regulatorischen Belastungen. Immer mehr junge Menschen trinken weniger oder gar keinen Alkohol – ein Trend, der sich durch die Pandemie und einen bewussteren Lebensstil verstärkt hat. Zugleich haben gestiegene Energie-, Rohstoff- und Verpackungskosten den Bierpreis in zwei Jahren um rund 35 Prozent erhöht.

Auch die Gastronomie, die stark vom Bierverkauf abhängt, wurde durch Pandemie und Inflation geschwächt. In Polen stammen 50 bis 70 Prozent des Umsatzes in Restaurants aus Alkohol, doch viele Betriebe mussten schließen oder kämpfen ums Überleben.

Überkapazitäten und soziale Folgen

Die großen Brauereien arbeiten mit bis zu 10 Millionen Hektolitern Überkapazität. Das gefährdet nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Zulieferer. Besonders betroffen sind Hopfenbauern in der Region Lublin, die keinen Absatz mehr finden. Insgesamt schafft laut CASE jeder Arbeitsplatz in einer Brauerei zehn weitere in Zulieferbetrieben, Gastronomie und Handel. Sinkt die Produktion, leidet also die gesamte Wertschöpfungskette.

Auch Craft-Bier steht unter Druck

Die einst dynamische Craft-Beer-Szene leidet ebenfalls. „Wir sind das kreative Herz des polnischen Biermarkts, aber die steuerliche und bürokratische Belastung wächst ständig“, klagte Marek Kamiński, Präsident des polnischen Verbands der Craft-Brauereien. Besonders das geplante Pfandsystem könnte kleine Betriebe überfordern, da die Kosten für Logistik, Sammelautomaten und Verwaltung ihre Möglichkeiten übersteigen würden.

Forderung nach Planbarkeit

Neben wirtschaftlichen Belastungen kritisierten die Branchenvertreter vor allem die fehlende Berechenbarkeit der Steuerpolitik. Zwar wurden in den vergangenen Jahren jährliche Erhöhungen der Verbrauchsteuer festgelegt, doch fehlende Kontinuität und kurzfristige Änderungen erschweren Investitionsplanungen.

„Wir erwarten keine Sonderbehandlung“, so Morzycki. „Aber wir brauchen Stabilität, um langfristig planen zu können.“ Eine Senkung der Mehrwertsteuer für Bier in der Gastronomie, wie sie andere Länder nach der Pandemie eingeführt haben, könne zudem den Konsum wieder ankurbeln.

Die polnische Brauindustrie steht demnach an einem Wendepunkt. Rückläufiger Konsum, steigende Kosten und bürokratische Hürden bedrohen nicht nur große Konzerne, sondern auch kleine Familienbetriebe. Ohne verlässliche Rahmenbedingungen und einen echten Dialog mit der Regierung, so die Experten einhellig, könnte Polens traditionsreiche Bierkultur erheblich an Vielfalt und wirtschaftlicher Bedeutung verlieren.

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