Hopfenrundfahrt August 2024

Am 28. 8. 2024 fand die Hopfenrundfahrt des Deutschen Hopfenwirtschaftsverbands e.V. statt. Auf dieser Veranstaltung hielt Pascal Piroué, Vorsitzender Deutscher Hopfenwirtschaftsverband e.V, die folgende Rede:

Geopolitische Großwetterlage und seine Auswirkung auf den globalen Bierkonsum

Am 1. Juli 2024 zählten die Vereinten Nationen (UN) 8,16 Milliarden Menschen auf der Erde. Damit hat sich die Zahl der Einwohner seit Mitte der siebziger Jahre verdoppelt – der Bierkonsum ist leider nicht proportional mitgewachsen.

Nach Jahrzehnten des Friedens rücken geopolitische Spannungen wieder stärker in den Fokus. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der Nahost-Konflikt sowie die Blockbildung zwischen den USA und China führen dies vor Augen.

Diese geopolitischen Umbrüche und Spannungen führen unübersehbar zu Gefahren für Handelskonflikte mit entsprechenden Auswirkungen auf Wertschöpfungs- und Lieferketten.

Restriktive geldpolitische Ausrichtungen, eine Entspannung bei Energiepreisen und Lieferketten haben erfreulicherweise den Rückgang der Gesamtinflation in den meisten Volkswirtschaften im Jahr 2023 begünstigt. Auch der Auftrieb bei den Lebensmittelpreisen ging in den meisten Ländern zurück, nachdem gute Ernten bei wichtigen Grundnahrungsmitteln wie Weizen und Mais die Preise von den Höchstständen, die nach Beginn des Krieges in der Ukraine erreicht worden waren, sinken ließen.

So war die jährliche Inflation in allen aufstrebenden Volkswirtschaften im Allgemeinen rückläufig, mit Ausnahme von Argentinien und der Türkei, wo sie bis zuletzt weiter angestiegen ist. In China ist die Inflation weiterhin sehr niedrig und lag zuletzt bei 0,3 %.

Diese sich auf die Kaufkraft positiv auswirkende Entwicklung hat jedoch auf den globalen Bierkonsum nicht den gewünschten Effekt gehabt. Das Braujahr 2023 schließt mit einem Minus von rd. 1,5 % ab und auch das erste Halbjahr 2024 lässt keine Erholung erwarten. Die von der Brauindustrie erwartete Rückkehr auf das Vor[1]Pandemie Niveau trat vor allem bei Bierkonsum in Restaurants und Gaststätten nicht ein – hier liegt der globale Konsum kaufkraftgetrieben immer noch deutlich unter dem Wert von 2019.

Die gute Nachricht: Alkoholfreies Bier hat global zwar noch einen bescheidenen Anteil von rd. 4,5 %, birgt aber großes Potential für weitere Steigerungsraten.

Die Ausgangslage des Hopfenmarkts vor der Ernte 2024

Im Wesentlichen lässt sich die aktuelle Lage am Hopfenmarkt wie folgt beschreiben: Im Laufe des Jahres 2023 wurde klar, dass die Erwartungen an einer Rückkehr auf das Vor-Pandemie Niveau von 2019 in weite Ferne rücken. Aufgrund anhaltenden Kostendrucks haben die Brauereien, allen voran internationalen Konzerne,notwendige Preiserhöhungen durchgesetzt, was in Kombination einer inflationsbedingen Schwächung der Kaufkraft weltweit zu Konsumzurückhaltung führte. Ziele zur Reduzierung des globalen Alkoholkonsums, wie das der WHO, den Alkoholkonsum bis zum Jahr 2030 um 20 Prozent im Vergleich zu 2010 zu senken, stehen der Rückkehr des Bierkonsums auf ein früheres, höheres Niveau, entgegen.

In der Folge konnte die mit 118.000 Tonnen als normal zu bezeichnende Welternte 2023 in vielen Anbaugebieten bis heute nicht vollständig vermarktet werden. Besonders sind hiervon klassische Aromasorten betroffen, von denen einige Mengenbis dato keine Abnehmer finden.

Diese Marktsituation hat einmal mehr gezeigt, dass sich das Marktgeschehen seit einigen Jahren von der tatsächlichen Versorgungslage abgekoppelt hat. Ausgehend von der Einschätzung der Brauindustrie, dass sie zu ihrem früheren Niveau zurückkehren wird, hat sie Terminkontrakte und Spothopfen bis zur Ernte 2022 abgeschlossen, für die es kaum eine Nachfrage gibt. Dadurch stauen sich in den Kühlhäusern der Vermarkter nicht abgenommene Mengen an Hopfenprodukten aus früheren Ernten.

Das belastet die Liquidität, führt zu hohen Zinsbelastungen entlang der Wertschöpfungskette und zu Engpässen in den Kühllägern. Hier müssen Brauer und Vermarkter mit Nachdruck Lösungen für überfällige Auslieferungen finden.

Die gute Nachricht: Die Deckung des Bedarfs an Hopfen für das Braujahr 2024 ist gesichert.

Ernteerwartungen 2024

Wie erwartet hat sich die Anbaufläche für die Ernte 2024 weiter reduziert und ist mit rund 56.000 Hektar auf dem Stand wie zuletzt in der Ernte 2016.

Wie auch im letzten Jahr sind für diese signifikanten Flächenstilllegungen nahezu alleinig die US-Anbaugebiete der Pazifik-Nordwest Region verantwortlich. Per Saldo wurden in diesen Anbauregionen zur Ernte 2024 rund knapp 3.950 Hektar aus der Produktion genommen. Zusätzlich wurden rund 200 Hektar in anderen Bundesstaaten gerodet, so dass insgesamt ein Minus von 4.150 Hektar auf den Zähler steht. Die Anbauflächen von Aroma- und Dual Purpose Sorten in der Region Pacific Nordwest erfuhren mit rund -3.650 Hektar die größte Reduzierung. Weitere 300 Hektar an Hochalphasorten gingen ebenso aus dem Boden. Eine vergleichbar drastische Flächenreduzierung hat es zuletzt im Jahre 2000 gegeben.

Der Rückgang der Bierproduktion, der primär durch die Covid-Pandemie und der darauf einsetzenden Inflation hervorgerufen wurde und besonders das Craftbier[1]Segment beeinträchtigte, hat weitreichende Auswirkungen auf die US[1]Hopfenwirtschaft, sind doch alle Investitionen in die massive Anbauflächenerweiterung der 2010er Jahre noch nicht getilgt. Aufgrund der Wechselkursparität ist die Rückeroberung des Marktanteils an Hochalphasorten für die US-Hopfenerzeuger schwierig.

Die Anbaufläche in Europa bleibt mit -460 Hektar (-1,5 %) relativ stabil. Von den in Europa angebauten 31.782 Hektar entfallen auf Deutschland mit einer Fläche von 20.289 Hektar ein Anteil von 64 %. Die Hochalpha-Sorten Herkules, Titan und Polaris erfahren einen Zuwachs, während Aromasorten wie Perle und Tradition an Fläche verlieren.

An den weiteren Stellen folgen mit 4.852 Hektar die Anbaugebiete in Tschechien (nahezu unverändert gegenüber 2023), Slowenien mit 1.657 Hektar und Polen 1.590 Hektar, deren Anbaugebiete seine Flächen um 8 % reduzierten.

Kurzfristige Marktaussichten:

Aufgrund des anhaltend schwachen Biermarktes und der prognostizierten Ernteergebnisse werden mit der Ernte 2024 mit geschätzt 116.265 Tonnen (-1,6 % gegenüber der Ernte 2023) für das Braujahr 2025 in einigen Sorten Überschüsse an Alphasäure produziert, die in Gänze kaum vermarktbar sein und deren Spotnotierungen sehr niedrig ausfallen werden.

Der stockende Abfluss an bereits kontrahierten Mengen aus den Vorernten lässt auf eine äußerst schwache Nachfrage schließen.

Dies betrifft insbesondere die klassischen Aromahopfen wie Perle und Tradition, die Craftbier-nahen Neuzüchtungen wie Mandarina Bavaria sowie eine Reihe von Randsorten.

Die Gruppe der Feinaromasorten wie Saazer, Spalter oder Tettnanger Hopfen erscheinen aufgrund der zu erwartenden Ernteergebnisse gut versorgt.

Bei den Hochalphasorten stehen aufgrund guter Qualitäten ausreichend Mengen zur Verfügung, die im Markt untergebracht werden müssen.

Länger- und langfristige Aussichten

Trotz der erwarteten Flächenstilllegungen, die auch in Europa nach der Ernte 2025 zu erwarten sind, wird es einige Zeit dauern, bis Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht kommen. Je rascher erforderliche Rodungen auch über den zu erwartenden Bedarf hinaus vorgenommen werden, desto schneller kann sich der Markt erholen.

Einige Sorten und Anbaugebiete werden sich dauerhaft auf ein geringeren Nachfrageniveau als in den vergangenen Dekaden einstellen müssen. Dies liegt zum einen an einem veränderten Konsumentenverhalten aber auch an der Fokussierung auf ertragreichere Sorten, die Einsparpotentiale ermöglichen.

Der anhaltende Russland-Ukraine-Konflikt hat dazu geführt, dass der für Deutschland und andere EU-Länder wichtige russische Biermarkt aufgrund der erklärten Selbstversorgung mittelfristig an Volumen verliert, auch wenn eine vollständige Unabhängigkeit von Importen aus der EU in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist.

Auch wenn die deutsche Ernte 2024 gute Erträge und Qualitäten erzeugen wird, darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass die Verschiebung der Vegetationszonen in den deutschen Anbaugebieten angekommen ist. Von daher ist es wichtig, die von der bayerischen Staatsregierung unterstützten Konzepte zur Bewässerung der Anbaugebiete Hallertau und Spalt voranzutreiben und mit adäquater finanzieller Unterstützung möglichst rasch umzusetzen.

In diesem Kontext ist hervorzuheben, dass die Verarbeitungsbetriebe mit ihrerInfrastruktur an Kühllägern in Deutschland auf ein Mengengerüst ausgerichtet sind, die bei stetig sich wiederholenden witterungsbedingten Schwankungen mittelfristig nicht mehr kostendeckend betrieben werden können.

Auf Seiten der Hopfenerzeuger muss die nächste Generation genauso durch verlässliche Rahmenbedingungen motiviert werden, die hochspezialisierten Betriebe ihrer Elterngeneration zu übernehmen und erfolgreich weiterzuentwickeln, wie die meist international ausgerichteten Gesellschaften der Vermarktungs- und Verarbeitungsunternehmen, die weiterhin investieren müssen, um an den deutschen Standorten Hopfenprodukte höchster Qualität herzustellen.

Zur Erreichung dieser Ziele müssen wir mit der Unterstützung von Politik und Behörden geeignete Antworten und Lösungen auf die bestehenden Herausforderungen finden, um die Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit der deutschen Anbaugebiete zu erhalten.

Die gute Nachricht: Wenn die Konsolidierung der überschüssigen Lagermengen entlang der Lieferkette erfolgt ist, sollten die Vertragspreise wieder auf ein Niveau steigen, die den gestiegenen Erzeuger- und Verarbeitungskosten Rechnung tragen.

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