Es ist nicht neu – im Sommer letzten Jahres hat der „Verband sozialer Wettbewerb“ die Brauerei Härle aus Leutkirch im Allgäu abgemahnt. Grund für die Abmahnung war, dass Härle sein Bier als „bekömmlich“ beworben hat. Diese Eigenschaft, die nach meinem Gefühl eine Selbstverständlichkeit ist, hält der Verband für eine gesundheitsbezogene Aussage. Gegen diese Abmahnung ist Brauereichef Gottfried Härle vor Gericht gegangen. Für mich nicht nachvollziehbar hat er damit vor dem Ravensburger Landgericht zweimal verloren. Nun wird sich das Stuttgarter Oberlandesgericht am 27. Oktober mit dem Fall befassen. Härle will dort mit neuen Argumenten auftreten, auch wenn er die Chancen für einen positiven Ausgang des Rechtsstreits nach einem Bericht des Südkuriers mit „fifty-fifty bewertet.“
Moralische Unterstützung
Es ist schon schwer nachvollziehbar, dass eine Werbung, die mehr als 100 Jahre verwendet wurde, auf einmal nicht mehr gesetzeskonform sein soll. Bereits im Jahr 1901 nicht der Urgroßonkel und Brauer Heinrich Härle mit dem Begriff „bekömmlich“ geworben. Moralische Unterstützung erhielt er vom Allgäuer Landsmann und Schriftsteller Rudi Holzberger, der das Wort bekömmlich zur Metapher erklärte, die juristisch nicht beim Wort genommen werden könne. Die Ravensburger Zivilrichter indes erklärten „bekömmlich“ als „gesundheitsbezogene Angabe“ die eine „objektive Verträglichkeit eines Lebensmittels für den Körper und seine Funktionen“ beschreibe.
Härle hat viele Mails erhalten, in denen die Absender ihm Trost spendeten und erklärten, dass sie das Urteil des Ravensburger Zivilkammer für hanebüchen halten. So sieht es wohl auch Härles Rechtsanwalt. In einem 17 Seiten-Schriftsatz hat Rechtsanwalt Roland Demleitner aufgeführt, wie man das Urteil der Ravensburger Zivilkammer werte, nämlich „bemerkenswert falsch“, „unrichtig“, „völlig verfehlt“ und mithin aufzuheben. Außerdem schlägt der Anwalt, der auch Geschäftsführer des Verbandes Private Brauereien Deutschland ist, dem Gericht vor, das Verfahren notfalls dem Europäischen Gerichtshof zur Prüfung vorzulegen.
Verordnung aus dem Jahr 2006
Der Südkurier schreibt dazu: „In Leutkirch hat indes Esther Straub, rechte Hand des Brauereichefs und Master of Law, im Dschungel europäischer Entscheidungen eine Verordnung des Europäischen Parlaments über „gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel“ aus dem Jahr 2006 gefunden. Darin heißt es: ‚allgemeine Bezeichnungen, die traditionell zur Angabe einer Eigenschaft einer Kategorie von Lebensmitteln oder Getränken verwendet werden, die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben könnten, wie z.B. Digestif oder Hustenbonbon sollten von der Anwendung dieser Verordnung ausgenommen werden‘.“
Ich wünsche Gottfried Härle auf jeden Fall viel Erfolg in Stuttgart und ein bekömmliches Urteil.